Die Zeichnungen von Lucas Cranach d. Ä., seinen Söhnen und der Werkstatt
- Projektträger Ernst von Siemens Kunststiftung
- Abgeschlossen
Lucas Cranach d. Ä. ist unbestritten einer der herausragenden Künstler des 16. Jahrhunderts. Als Hofmaler dreier sächsischer Kurfürsten, als gut vernetzter, einflussreicher und planvoll agierender Herausgeber, Leiter einer großen Werkstatt und Geschäftsmann in einer politisch und gesellschaftlich turbulenten Epoche drückte Cranach unserem Bild dieser Zeit seinen Stempel auf. Neben Altargemälden, höfischen und bürgerlichen Bildnissen sowie Bildern von biblischen und mythologischen Szenen für protestantische und katholische Auftraggeber schuf er ein umfangreiches grafisches Werk mit einer Vielzahl an Zeichnungen und einem noch größeren Umfang an Drucken. Die Werkstatt mit einer ungezählten Anzahl an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (?) führte er mutmaßlich mit besonderer ökonomischer Schläue und so hielt sie sich über zwei Generationen in Wittenberg.
Als eines der traditionsreichsten Museen für Kunst auf Papier besitzt das Dresdner Kupferstich-Kabinett neben einer bedeutenden Sammlung der Druckgrafik auch einen wichtigen Bestand an Zeichnungen Lucas Cranachs d. Ä., seiner Söhne und der Werkstatt. Einige dieser Zeichnungen gehören zu den wertvollsten Schätzen in der Dresdner Sammlung. Weitere Zeichnungen können seinen Schülern wie etwa Zacharias Wehme oder Heinrich Göding zugeschrieben werden, die nach ihrer Ausbildung bei Cranach ebenfalls als Hofmaler am kursächsischen Hof arbeiteten. Von zentraler Bedeutung im Bestand ist ein Klebeband, der neben Zeichnungen von einigen seiner Schüler wohl auch solche von Cranach d. Ä. selbst enthalten hat, und der im frühesten Inventar von 1738 erwähnt wird. Es ist demnach wahrscheinlich, dass ein Teil der Zeichnungen womöglich schon für die kurfürstliche Kunstkammer gesammelt wurde. Obwohl es sich um einen künstlerisch wertvollen und für die Forschung deutscher Renaissance-Zeichnungen so wichtigen wie auch für das Selbstverständnis der Dresdner Sammlung so bedeutenden Bestand handelt, wurde er bislang noch nicht umfassend wissenschaftlich erforscht. Auch die Cranach-Zeichnungsforschung hat über die Verzeichnisse von Theo Ludwig Girshausen (1936), Jakob Rosenberg (1960) und Michael Hofbauer (2010) hinaus bislang kein vollständiges wissenschaftlich überzeugendes Werkverzeichnis hervorgebracht. Eine unverzichtbare wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Zeichnungen Cranachs findet sich im Katalog von Dieter Köpplin und Tilman Falk, der die epochale Ausstellung 1974 in Basel begleitete. Trotz der deutsch-deutschen Teilung konnten damals viele Dresdner Zeichnungen untersucht und gezeigt werden. Nicht wenige aber wurden erst im Nachhinein bekannt oder sind später restituiert worden.
Das am Cologne Institute of Conservation Sciences der TH Köln angesiedelte Cranach Digital Archive hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Zuge eines dreijährigen Forschungsprojektes die gesamte Druckgrafik als auch die Zeichnungen in einer Grunddatenerfassung zu erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit auch Forschung und Information demokratisch zu teilen. Das Dresdner Kabinett unterstützt das CDA mit eigener Expertise und den vorhandenen Daten, gefördert von der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung. Darüber hinaus soll die Anstrengung für das CDA und die sich daraus ergebenden Synergien genutzt werden, um einen eigenen substantiellen Beitrag zur deutschen Renaissancezeichnungsforschung zu leisten.
In enger Abstimmung mit den Kollegen und Kolleginnen vom CDA und gleichzeitig unabhängig will das Dresdner Kupferstich-Kabinett die eigenen Zeichnungen genauer untersuchen und im fachlichen Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen vom Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin erforschen. Die Bestände beider Sammlungen sind vergleichbar bedeutend und doch sind sie inhaltlich sehr verschieden. In Dresden handelt es sich um etwa 26 Zeichnungen von Cranach, seinen Söhnen und seiner Werkstatt, davon 11 Zeichnungen, die Cranach d. Ä. oder seinen Söhnen zugeschrieben sind. Hervorzuheben sind 12 Tierzeichnungen, von denen die meisten Cranach d. Ä. zugeschrieben sind. Diese großformatigen Zeichnungen sind meisterhaft in einer breiten Palette an Farben mit der Feder und dem Pinsel ausgeführt. Einige lassen sich Gemälden zuordnen und könnten daher als Vorlagen in der Werkstatt entstanden sein. Zu wenig ist jedoch bislang über die Zuschreibungen, Medien und Techniken, die Beziehung von Zeichnungen und Gemälden und über Arbeitspraxis oder Arbeitsteilung in der Werkstatt bekannt. Dabei berühren diese Fragen das Basisverständnis von Zeichnungen überhaupt. Es kommt dem Forschungsvorhaben zugute, dass beide Häuser eng mit profilierten Papierrestaurator*innen in den hauseigenen Werkstätten und mit der Unterstützung baugleicher Multispektralanlagen arbeiten, die es möglich machen, vergleichbare Daten zu gewinnen, die im Vergleich umso qualifizierter Aufschluss über das Material geben.
14 Zeichnungen der Dresdner Sammlung sind im Krieg verloren gegangen. Das Forschungsprojekt möchte auch diese zum großen Teil fotografierten Blätter einbeziehen und hat den Mindestanspruch formuliert, im Rahmen des Projekts eine Strategie für die Distanz- bzw. Digitalforschung vorzustellen.
Ziel ist eine gemeinsame Ausstellung in Dresden und Berlin im 555. Geburtsjahr von Lucas Cranach d. Ä. 2027. Der Fokus an beiden Orten liegt jeweils auf dem eigenen Bestand und den gemeinsamen oder sammlungsspezifischen Forschungsergebnissen. Die Ausstellungen können um einige wesentliche Leihgaben ergänzt werden, sollten diese für ein bestimmtes Argument wirksam sein. Im Rahmen der Kooperation wird ein gemeinsamer Katalog angestrebt.
Erschließung des Bestands
Großer Forschungsantrag
Travelling Seminar/Workshop
Erforschung des Bestands: Materialanalysen, Stilanalysen, Vergleichsanalysen
Erarbeitung eines online-Katalogs
Erarbeitung einer großen Ausstellung
Juni 2023 - Februar 2024
Erste Projektphase: Juni 2023 – Februar 2024
Zweite Projektphase (perspektivisch): April 2024 – Dezember 2026
Ausstellung (perspektivisch): 2027
Dr. Claudia Schnitzer, Oberkonservatorin
Dr. Mailena Mallach, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Johanna Ziegler, Papierrestauratorin
Susann Krüger, Datenkoordinatorin
Verantwortlich: Prof. Dr. Dagmar Korbacher, Direktorin Kupferstichkabinett, SMB